Die demografische Entwicklung ist in drei Politikbereichen besonders relevant: Gesundheit, Pflege und Pensionen. Diese Herausforderung muss gemeinsam zwischen dem Bund, den Ländern und der Sozialversicherung gemeistert werden. Denn je älter die österreichische Bevölkerung wird, desto stärker steigt der Bedarf nach medizinischen und pflegerischen Leistungen und desto mehr Pensionen müssen ausbezahlt werden.
von Andreas Huss, MBA
Obmann der Österreichischen Gesundheitskasse
Dies hat auch immense Auswirkungen auf die Österreichische Gesundheitskasse (ÖGK). Mit 7,6 Millionen Versicherten ist die ÖGK eine tragende Säule im österreichischen Gesundheitssystem und steht für Stabilität und Verlässlichkeit in der medizinischen Versorgung. Ganze 98 Prozent des Gesamtbudgets flossen im Vorjahr direkt in Gesundheitsleistungen und kamen unseren Versicherten vom Bodensee bis zum Neusiedlersee zugute.
Die ärztliche Versorgung vor Ort ist besonders für ältere Menschen essenziell. Nicht selten sind sie darüber in Sorge und fragen sich, ob diese auch künftig in so hoher Qualität für alle gewährleistet werden kann. Gerade auch in Anbetracht der demografischen Entwicklung, da mit zunehmendem Alter der Bedarf an medizinischer Versorgung in der Regel steigt und die Mobilität zum Teil abnimmt. Dies ist ein gesamtgesellschaftlicher Auftrag, nicht nur an die Gesundheitsversorgung um Lösungen für die Zukunft zu entwickeln.
In den vergangenen zehn Jahren ist die Zahl der stationären Patient*innen um bis zu 30 Prozent zurückgegangen. Das ist gut so.
Andreas Huss, MBA
Unsere diesbezüglichen Vorhaben und Lösungsansätze finden sich in den regionalen Strukturplänen Gesundheit, die wir aktuell mit den Bundesländern verhandeln, um die Gesundheitsversorgung bis 2030 zu gestalten. Als ÖGK haben wir stark den Ausbau der niedergelassenen Versorgung in diesen Prozess eingebracht, damit es gerade für die ältere Bevölkerung eine unkomplizierte und wohnortnahe Gesundheitsversorgung gibt. Konkret wollen wir 300 Primärversorgungszentren bis 2030 in ganz Österreich, also eine Verdreifachung gegenüber dem Status quo. Hier geht es auch darum, die nichtärztlichen Gesundheitsberufe verstärkt einzubinden. Diese nehmen für den Bedarf der älteren Menschen einen enormen Stellenwert ein.
Im internationalen Vergleich ist unser Gesundheitssystem nach wie vor viel zu ärztelastig. An manchen Orten werden auch nach wie vor Einzelordinationen nachbesetzt werden können, aber den großen Run der Jungmediziner*innen auf diese Organisationsform gibt es nicht mehr. Das hat vor allem mit der großen Nachfrage nach Teilzeitarbeit zu tun. Deshalb gehen wir stark in die Förderung von anderen Zusammenarbeitsformen und von Zentrumslösungen. Dazu gehören neben den Primärversorgungseinheiten auch Frauengesundheitszentren in Form selbstständiger Ambulatorien mit interprofessionellem Angebot. Frauenärztinnen sind im Kassensystem nach wie vor Mangelware, die Frauenquote liegt nur bei 37 Prozent. Wir wollen die Gynäkologinnen im Wahlarztsystem dazu motivieren, im Kassensystem mitzuarbeiten – auch mit Teilzeitmöglichkeiten.
Zudem wollen wir die psychosoziale Versorgung verbessern. Denn die ist in Österreich ein extremes Flickwerk, nicht alle Bundesländer sind gleich gut versorgt. Wir möchten in jeder der 32 Versorgungsregionen ein psychosoziales Versorgungszentrum für Kinder und Jugendliche und eines für Erwachsene anbieten. Altersdepression ab dem 65. Lebensjahr, ist neben der Demenz die häufigste psychische Erkrankung im Alter. Daher ist es mir ein besonders Anliegen für jede Altersgruppe die benötigte und notwendige Versorgung anbieten zu können.
Und dann gibt es noch einen anderen wichtigen Bereich: Die Österreicher*innen mit Diabetes sind im Vergleich zu anderen Ländern nicht optimal versorgt. Hier wollen wir österreichweit in allen 32 Versorgungsregionen jeweils ein Diabeteszentrum anbieten.
Ein weiteres Thema hat einen hohen Stellenwert eingenommen und rückt immer mehr ins Zentrum der öffentlichen Wahrnehmung, die Demenz. Allein in Österreich leiden rund 147.000 Menschen an der komplexen Erkrankung. Bis 2050 dürfte sich diese Zahl verdoppeln. Um betroffenen Versicherten und deren Angehörigen zu helfen, setzt die ÖGK auf eine Doppelstrategie: Eine hochwertige medizinische Versorgung für ganz Österreich, ergänzt durch Beratungs- und Betreuungsnetzwerke in allen Regionen.
Gesundheitsversorgung kostet Geld, viel Geld, daher ist es ein oft qualvoller Spagat gut zu wirtschaften, aber trotzdem die beste Versorgung zu gewährleisten. Wir als ÖGK entlasten gemeinsam mit dem niedergelassenen Bereich zunehmend die Spitäler, denn in den vergangenen zehn Jahren ist die Zahl der stationären Patient*innen um bis zu 30 Prozent zurückgegangen. Das ist gut so. Auch die Zahl der spitalsambulanten Patient*innen stagniert, sie steigt aber in den Kassenpraxen, zwischen zehn und 18 Prozent allein im letzten Jahr.
Wenn aber immer weniger Menschen in die Spitäler kommen, muss man sich in der Spitalsfinanzierung etwas überlegen. Wir zahlen derzeit rund 7 Milliarden Euro in die Krankenhäuser. Unser Vorschlag ist, diesen Beitrag zu reduzieren und die spitalsambulanten Leistungen nicht mehr pauschal über die Spitalsfinanzierung abzugelten, sondern als Sozialversicherung Einzelleistungen einzukaufen, so wie im niedergelassenen Bereich. So könnten wir mitsteuern, wo welche Leistungen am besten erbracht werden sollen.
Wir arbeiten mit unseren Vertragspartner*innen Tag für Tag an einem gemeinsamen Ziel, damit unsere Versicherten in ganz Österreich gut leben, fit bleiben und gesund alt werden können. Gemeinsam mit unseren Partner*innen im Gesundheitsbereich wird der Weg zur stetigen Verbesserung der flächendeckenden und wohnortnahen Versorgung, aber auch der Gesundheitsvorsorge ermöglicht. Dafür setze ich mich ein.
Diesen und weitere Beiträge finden Sie in unserem Demografie-Paper.
Headerbild: Juliane Liebermann – Unsplash