Wer über den demografischen Wandel spricht, muss über öffentliche Haushalte sprechen. Nicht in abstrakter Zukunft, sondern im Hier und Heute. Denn die finanziellen Auswirkungen des Alterns der Gesellschaft sind keine ferne Projektion, sondern Realität mit wachsender Wirkung. Die Bevölkerung altert, die Ansprüche an Gesundheits- und Pflegeleistungen steigen, und das mit einer Dynamik, die unser derzeitiges System strukturell überfordert.
von Univ.-Prof. Dr. Christoph Badelt
Präsident des Österreichischen Fiskalrats
Österreich steht heute vor einer doppelt schwierigen Ausgangssituation: Die demografischen Veränderungen setzen längst ein. Das zeigen nicht nur Personalengpässe in Spitälern und Pflegeheimen, sondern auch strukturelle Engpässe bei OP-Terminen oder Facharztzugängen. Gleichzeitig ist die finanzielle Basis für künftige Investitionen in Pflege und Gesundheit schwächer als noch vor einigen Jahren. Während wir zu Beginn der Corona-Pandemie aus einer vergleichsweise stabilen Budgetlage heraus handeln konnten, schreiben wir heute wieder tiefrote Zahlen: Der Maastricht Budgetsaldo liegt gegenwärtig bei rund -4,3 % des Bruttoinlandsprodukt (BIP). Selbst unter optimistischen Annahmen wird sich die Staatsschuldenquote nur sehr mühsam senken lassen.
Die langfristigen Herausforderungen sind durch Projektionen belastbar darstellbar, weil die demografischen Entwicklungen keine bloßen Hypothesen sind. Die Menschen, die künftig in Pension gehen oder Pflege benötigen, sind bereits geboren. Die Zahl derer, die sie pflegen oder medizinisch versorgen sollen, hingegen wächst nicht im gleichen Maße. Diese Entwicklung lässt sich selbst unter konservativen Annahmen bis ins Jahr 2070 gut vorzeichnen.
Analysen des Fiskalrats zeigen deutlich: Ohne substanzielle Reformen steigen die Staatsausgaben künftig deutlich stärker als die Staatseinnahmen. Besonders betroffen sind die drei großen Bereiche Pensionen, Gesundheit und Pflege. Während die Pensionsausgaben in Relation zum BIP mittelfristig stabil bleiben dürften, steigen die Gesundheitsausgaben kontinuierlich. Es ist daher illusorisch zu glauben, man könne diesen Trend vollständig kompensieren. Aber man kann und muss die Dynamik dämpfen.
Die Alterung der Gesellschaft ist neben der Klimakrise der bedeutendste Treiber der langfristigen Budgetentwicklung.
Univ.-Prof. Dr. Christoph Badelt
Dabei ist zu bedenken: Nicht alle Reformfelder sind gleich schwer zu gestalten. Eine Pensionsreform ist – so paradox es zunächst klingen mag – politisch einfacher durchzusetzen als eine Gesundheitsreform. Denn im Pensionssystem lassen sich Hebel wie das Antrittsalter oder die Beitragsjahre klar benennen, quantifizieren und umsetzen. Das Gesundheitswesen hingegen ist hochgradig komplex. Es ist zersplittert in Zuständigkeiten, Akteurslandschaften und Finanzierungslogiken. Diese Struktur erschwert tiefgreifende Reformen erheblich.
In der politischen Debatte taucht regelmäßig der Ruf nach höheren Einnahmen auf. Doch Steuererhöhungen lösen das strukturelle Problem nicht. Sie verschieben lediglich das finanzielle Ungleichgewicht auf ein höheres Niveau. Die Dynamik bleibt gleich: Die Ausgaben wachsen schneller als die Einnahmen. Österreich hat bereits jetzt eine Abgabenquote von über 52 % des BIP. Hier ist wenig Spielraum für weitere Belastungen, ohne den Wirtschaftsstandort zu gefährden.
Die fiskalische Lage lässt wenig Spielraum für Schönwetterpolitik. Die Alterung der Gesellschaft ist neben der Klimakrise der bedeutendste Treiber der langfristigen Budgetentwicklung. Wer nachhaltige öffentliche Haushalte sichern will, muss an die Grundstrukturen ran: Effizienz steigern, Versorgungssysteme koordinieren und dort investieren, wo Wirkung erzielt werden kann. Das ist keine einfache Aufgabe. Sie verlangt politischen Mut, interdisziplinäre Zusammenarbeit und einen langen Atem. Aber sie ist unausweichlich.
Die Zukunft hat längst begonnen.
Diesen und weitere Beiträge finden Sie in unserem Demografie-Paper.
Headerbild: Harry Strauss – Pixabay